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Estnische Kroonen, genäht und gewoben, 140 x 110 cm, 2010/11

Reisende mit leichtem Gepäck

Ich muss gestehen, seitdem ich den 10 Krooni Schein vor Jahren zum ersten Mal sah, habe ich mich ein wenig verliebt: ich finde ihn ausgesprochen schön gestaltet; er zeigt auf der Rückseite die Tamme Lauri Eiche in Urvaste – und wenn man dann noch "Eichin" heißt, muss man die Dinge tun, die man tun muss!

Der "Reisemantel Estland" besteht aus Bändern von genähten und dann verwobenen 10 Kroonen Geldscheinen, welche nun der Vergangenheit angehören, da Estland im Januar 2011 auf den Euro umgestellt hat. Reisende mit leichtem Gepäck: beim Bäcker trenne ich einen der vernähten Scheine ab und bezahle damit meine Brötchen. Im Bahnhof finde ich beim Kauf der Zugfahrkarte meine Schere nicht, was den Unmut der hinter mir Wartenden hervorruft.

Nebst der humorvollen Betrachtungsweise: der "Reisemantel" ist aus bedruckten Papierstücken gefertigt, welche mit der Nähmaschine aneinander genäht wurden. Wir haben uns darauf geeinigt, dies "Geld" zu nennen und demselben einen realen Wert beizumessen. Fragen bezüglich des Wertes unseres "Papier-Geldes" sind in diese Hülle hineingewoben, Fragen nach der "Materie Geld" als Projektionsfläche unserer Wünsche. Fragen nach Stagnation und dem Fließen. Fragen nach unserem Besitzen Wollen, der Freigiebigkeit und dem Teilen.

"Wenn wir an das Geld glauben, spielt es keine Rolle, ob es die Gestalt von Münzen, Scheinen, steinernen Rädern, Getreide, Tabak, Zähnen oder Federn hat… Wir müssen an seinen Wert glauben, bevor wir es als Zahlungsmittel annehmen. Im weitesten Sinne ist Geld ein Kommunikationsmittel ... Man kann auch sagen, Geld sei Energie oder ein Aktionspotential ... Beim Geld geht es nicht nur um die finanziellen Transaktionen von Individuen, Firmen oder Staaten, sondern auch um die tieferen Fragen, wie Lebensenergie eingesetzt wird, wie die Menschen miteinander leben."

Aus T. Crawford; Das geheime Leben des Geldes