Roter Faden
Im vielfarbigen Gewebe dieses Mantels findet sich ein roter Faden. Er entzieht sich dem schnellen Blick und ist an vielen Stellen dem Auge verborgen.
Dem aufmerksamen Betrachter zeigt sich ein rotes Knäuel, welches ein Stück abseits des Mantels liegt. Es führt in den Mantel hinein oder heraus. Je nach Betrachtungsweise.
Beim Weben ist es wichtig, „den Faden nicht zu verlieren“, um die richtige Spannung zu wissen, sich in den Rhythmus des Aufnehmens und Abgebens einzufinden.
Diese Erfahrungen scheinen tief verwurzelt im „Menschengedächtnis“, so dass sich daran viele Redensarten knüpfen: wenn wir einem Gedankengang nicht mehr folgen können, so sprechen wir davon, „dass wir den Faden verloren haben“. Ist etwas sehr fragil ist, so sagen wir: „es hängt am seidenen Faden“. „Da beißt die Maus keinen Faden ab“ dienst zur Bekräftigung einer Aussage. Wir sprechen davon, dass „jemand die Fäden zieht“ – manchmal auch im Hintergrund – oder „die Fäden fest in der Hand hält“. Wenn wir „zarte Fäden spinnen“, so spricht dieses Bild unserem Hingezogen fühlen zu jemand anderem.
Auch in der germanischen Mythologie finden sich drei „Fadenspinnerinnen“, die zugleich Geburtshelferinnen sind: die drei Nornen der Gegenwart, der Zukunft und der Vergangenheit.
Aus diesem Bild spricht die Vorstellung, dass das Schicksal nicht starr und festgelegt ist, sondern immer wieder „gesponnen“ und gestaltet werden will.
Das Gewand „Roter Faden“ scheint an seinen Rändern nicht vollendet zu sein. Befindet es sich im Werden? In der Auflösung? Es erinnert uns an die Rhythmen, welche allem Lebendigen innewohnen. Der Fadenmantel mag uns ermutigen, uns auf die Suche nach „unseren Roten Fäden“ zu begeben. Manchmal benötigt es Abstand vom „alltäglichen Lebensgewebe“ um klarer zu sehen. Manchmal braucht es das Gespräch, um den Fadenverlauf zu erkennen. Oft genug findet sich „der rote Faden“ nur rückblickend.